„ein tanz von kraft um eine mitte, 
in der betäubt ein großer wille steht“
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„ein tanz von kraft um eine mitte, 
in der betäubt ein großer wille steht“

Eben noch schnell ne Kippe geraucht, um dann ganz entspannt mit zwei Gläsern undefinierbaren Inhalts auf die minimale Bühne des Steinbruchs in Duisburg zu kommen. So gab sich Jamie Stewart, gefolgt von seinem Bandmitglied Angela Seo, am 02. 06. die Ehre als Xiu Xiu das einzige Live-Konzert in NRW zu spielen.

Die beiden vollführten vor dem eigentlichen Beginn ein kleines Ritual auf der Bühne, griffen sich an den Händen und flüsterten sich etwas ins Ohr. Die beiden wirkten sehr vertraut miteinander und schufen damit eine unglaubliche Intensität, die durch den romantisch-kleinen Konzertsaal noch unterstützt wurde.

Ganz ruhig ging es mit „Black Drum Machine“ los, um dann bei „Apistat Commander“ den Lautstärkeregler voll aufzudrehen. Stewart, dessen Stimme wahnsinnig klingt- nicht nur auf Platte, sondern auch auf live- sang die ganze Zeit mit geschlossenen Augen und die Zeilen „Oh My God, Oh My God, Oh My God“ so intensiv, dass man eine anhaltende Gänsehaut bekam. Relativ zu Anfang des Konzerts hauten Xiu Xiu schon die aktuelle Single des gleichnamigen Albums „Dear God, I Hate Myself“ raus und begeisterten die Massen. Überraschenderweise spielten sie sehr viele alte Songs und nur wenige von der neuen Platte, die ja teilweise mit Nintendo DS-Samples gemacht wurde. Und genau dieser pinkfarbene (!) Nintendo DS befand sich in der Tupperdose, die so viele obskure Instrumente und Hilfsmittel bereithielt. Denn eins stellten Xiu Xiu auf jeden Fall unter Beweis- sie sind experimentierfreudig.

Obwohl sie nur zu zweit waren, zauberten sie ein orchestrales Arrangement von Sounds hervor, das einen in –fast verstörendes- Staunen versetzte. Stewart und Seo wirkten beide fast manisch und hochkonzentriert (jedoch nicht mechanisch und einstudiert) und drangsalierten ihre Instrumente bis zum Äußersten. Diese Energie, dieses Rauhe wirkte aber nicht wütend, sondern hingebungsvoll. Die Hingabe für die Kunst, denn das ist es was Xiu Xiu machen- hohe Kunst. Ihre Songs sind nicht am Mainstream orientiert oder gar daran angepasst, sondern sind avantgardistisch. Die Trommelfell-zerfetzenden Noise-Elemente und die Synthie-Sounds machten das Ganze zur einer wahren Performance, in die sich die Künstler homogen einbanden. Die Art und Weise wie Seo auf die Mauer aus Gongs zu ihrer Rechten schlug und gleichzeitig die Finger über die Klaviatur des Synthesizers fliegen ließ, war ein wahres Schauspiel. Es war elektrisierend und fesselnd. Aber auch Stewart schlug kräftig auf die Cymbals, und zwar so kräftig, dass sich sogar Seo in Acht nehmen musste. Trotzdem vollbrachte er es mit seiner zittrig-klanghellen Stimme die Songs weiterzusingen. Seine Stimme pflegte er auch während des Konzerts und bückte sich nach jedem Song herunter zu seinen zwei Gläsern, um zu gurgeln.

Stewart hat den Überraschungseffekt perfektioniert- mal singt er verzweifelt, flehend und mal bricht es richtig aus ihm heraus und er malträtiert die Saiten seiner Gitarre, wie bei „This Too Shall Pass Away“. Er ist ein wildes Tier und als er nach „Chocolate Makes You Happy“ den letzten Song ankündigte, nutzte er die Gelegenheit um sich genuin dafür zu bedanken, dass so viele Menschen gekommen sind. Fast verschüchtert und zurückgenommen wirkt der Mann mit dem Iro und der 90ies Baseball-Jacke. Jamie Stewart ist ein lebendes Oxymoron und genau das macht es so spannend ihn mit Angela Seo als Xiu Xiu live zu erleben. Möglicherweise haben sie das Manifest von der Performance-Künstlerin Marina Abramovic verinnerlicht, denn sie schreibt: „An artist should have self control. An artist should not have self control. An artist must have total self control.“ Genau diese Zerrissenheit verkörpern die beiden auf der Bühne.

Durch ihre Vertrautheit, ihre Leidenschaft und ihre einzigartige Art Musik zu machen und zu performen, kreieren Xiu Xiu eine Sensation sowohl für das Ohr als auch für das Auge. Und so verabschiedeten sie sich am Ende mit „Boy Soprano“ und der Zeile „Do What You Can To Shock Me“. Stewart kann schocken und zwar durch seine bipolare stage persona. Und das ist nur positiv gemeint.

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