Nicht mal annähernd voll war die Werkstatt am 25. November. Ein sympathischer für Köln typischer Club: ein wenig herunter gekommen, auf das Nötigste reduziert, mit rotgestrichenen Wänden im Flur und einer obligatorischen Kronleuchte an der Decke. Ob der Rest der westfälischen Musikliebhaber bei Franz Ferdinand in Phillipshalle war? Man weiß es nicht. Schade, aber nicht schlimm. Denn so wurde das Konzert von A Place to Bury Strangers zu einem intimen Abend für wenige Eingeweihte.
Mit ihren goldenen Paillettenbändern brachte die Vorband des Abends Dag för Dag etwas Farbe in den schwarzen Keller. Das ursprünglich aus San Fransisco stammende Geschwisterpaar Sarah und Jacob Savely überzeugte mit ihrem simplen, ehrlichen, und tanzbaren Sound. Songs wie „Ring me, Elise“ oder „Pirate Sea“ entfachten solch eine Dynamik, dass man sich gerne den Namen der Band merkt. Nächsten Dienstag spielen Dag för Dag erneut in Köln. Dann im Studio 672 als Vorband des wunderbaren Duo Wildbirds & Peacedrums. Auf jeden Fall empfehlenswert.
Dag för Dag war definitiv ein exzellenter Start in diesen berauschenden Abend. Nach einer kurzen Umbaupause deutete das Angehen der Nebelmaschine auf den baldigen Beginn des ersehnten Konzerts von A Place to Bury Strangers hin. Ganz locker und leger betraten Oliver Ackermann (Gitarre, Gesang), Jonathan „Jono MOFO“ Smith (Bass) und Jay Space (Schlagzeug) die Bühne. Ohne ein Wort zu verlieren, griffen sie zu ihren Instrumenten und legten sofort los mit dem düsteren, verzerrten und antreibenden Song „Gimme Acid“. Ackermanns dunkle Stimme verlor sich in einem dreckigen Noise Gewirr, mit dem sich A Place to Bury Strangers bereits einen Namen gemacht haben. Die Worte wurden belanglos, einzig die sich durch den Raum bewegenden schwingenden Töne waren in diesen Momenten bedeutungsvoll. Immer wieder tauchten in diesem Geflecht aus impulsivem Noise wunderschöne Melodien auf. Der konstante Basslauf und die kraftvollen Rhythmen wirkten dabei als einzige Orientierungshilfe.
Keine Chance für Stille oder Besinnung: ein Lied ging ohne weiteres in das nächste über. Der Reflex zu applaudieren erschien an diesem Abend irgendwie falsch, er wurde unterdrückt. Nicht etwa aus Missfallen oder Respektlosigkeit, sondern aus dem puren Drang weiter zu machen – nicht stehen bleiben bitte. Nur ein Mal hatte sich für wenige Sekunden ein Augenblick der Stille eingeschlichen, den das Publikum unmittelbar für einen etwas benommenen Applaus nutzte. Oliver Ackermann und Jono MFO lächelten einander zu, dann ein kurzes „Thank You“ und weiter ging’s.
Die beeindruckende Lichtshow ging eine perfekte Symbiose mit dem überwältigenden Sound ein. Ein einsamer Projektor, der von der Bühne aus den Zuschauerraum in umher spielende Strahlen verhüllte. Die sphärische Aura erinnerte an das Lichtspiel in Ron Howards „Cacoon“.
Einen eindrucksvollen Höhepunkt bildete die Performance von „Ocean“. Der Song wurde ausgedehnt, verlief sich, löste sich auf in einem von jeglichen Strukturen befreiten mächtigen Klang.
Am liebsten möchte man seinen ganzen Körper bis ins Unendliche weit strecken, bis man völlig in der Musik aufgeht. Die Kombination aus den einsetzenden Stroboskopen und aufsteigendem Nebel machte das Rauschen nun auch sichtbar. Ein verzückender Effekt, der gewaltige Affekte auslöste.
Als sich nun der Nebel auflöste, sah man erst wie weit die Zerstörung schon fortgeschritten war. A Place to Bury Strangers zogen gnadenlos alle möglichen Klänge aus ihren Instrumenten heraus, sodass die Gitarre sich am Ende ihrer Saiten entledigen musste. Doch es war keine aggressive Zerstörung, sondern ein produktives Dekonstruieren. Denn aus diesem ganzen Tumult erwuchs wieder der eingängig melodiöse Riff von „Ocean“.
Genauso unverbindlich wie sie die Bühne betraten, haben A Place to bury Strangers sie auch verlassen. Was bleibt ist Chaos auf der Bühne und ein Fiepen im Ohr.